Wer in Schwyzer Amtsstuben recherchiert, stösst vielerorts auf Mühsal und Widerstand. Das ist das Making-of der ‹FS›-Einbürgerungsrecherche – ein Protokoll jahrelangen Wartens, mauernder Behörden und fragwürdig mannigfaltiger Rechtspraxis.

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Von Fabian Duss und Matthias Niederberger

Seit 15 Jahren ist es vorbei mit der Geheimniskrämerei in den Schwyzer Amtsstuben – theoretisch. Seit 2008 gilt im Kanton Schwyz nämlich das Prinzip, dass amtliche Dokumente grundsätzlich für alle Interessierten einsehbar sind. Wollen Behörden davon abweichen, müssen sie dies gesetzeskonform begründen. Blosser Unwille oder die Furcht vor Kritik reichen nicht aus, um den Zugang zu amtlichen Dokumenten zu verweigern. Doch taugt das Schwyzer Öffentlichkeitsprinzip tatsächlich als Türöffner?
Bislang machten wir unterschiedliche Erfahrungen damit. Bei kantonalen Stellen kamen wir oft nur mit grosser Hartnäckigkeit und vor allem zu spät zum Ziel. Bis wir die Widerstände aus dem Weg geräumt und die gewünschten Dokumente oder Daten erhalten hatten, war es um deren Aktualität und Relevanz in der politischen Debatte längst geschehen. In anderen Fällen verzichteten wir angesichts solcher Aussichten gar auf Recherchen. Antwortfristen für die Behörden gibt es nämlich nicht.
Beim Bezirk Küssnacht beobachteten wir hingegen eine positive Entwicklung. Das hat namentlich mit Landschreiber Marc Sinoli zu tun, der 2016 auf der Bezirkskanzlei das Zepter übernahm. Auch im Bezirksrat fand ein Umdenken statt. Doch wie handhaben die anderen Schwyzer Gemeinden und Bezirke die geforderte Transparenz? Wie gross ist die Lücke, die zwischen dem Öffentlichkeitsgesetz und dessen Umsetzung klafft? Woran hapert es und weshalb? Und welchen Nutzen hat der Öffentlichkeits- und Datenschutzbeauftragte des Kantons Schwyz (ÖDSB)?

Viele störrische Gemeinden
Unsere Recherche zu den Einbürgerungsverfahren war von Anfang an auch als Praxistest für das Schwyzer Öffentlichkeitsprinzip ausgelegt. Im Oktober 2020 baten wir alle 30 Schwyzer Gemeinden um den Fragenkatalog, der ihren Einbürgerungsverfahren zugrunde liegt. Wir verzichteten damals bewusst darauf, auf das Öffentlichkeitsprinzip zu verweisen. Ausserdem wollten wir wissen, wie die Anhörungen konkret vonstatten gehen und wie die Antworten der Gesuchsteller beim Einbürgerungsentscheid gewichtet werden.
Entsprechende Erklärungen erhielten wir von den meisten Gemeinden umgehend, doch den Fragenkatalog einzig von Oberiberg und Sattel. Die Küssnachter Bezirkskanzlei reagierte ebenfalls positiv und versprach, uns Einsicht zu gewähren. Ein Drittel der Gemeinden ignorierte unsere Anfrage schlicht und einfach.
Angesichts der mageren Ausbeute hakten wir im Dezember 2020 nach, diesmal explizit auf das Öffentlichkeitsprinzip hinweisend. Den Gemeinden sicherten wir zu, ihre Fragenkataloge nicht im Internet aufzuschalten, nicht vollumfänglich in der Zeitung abzudrucken oder anderweitig weiterzugeben. Jedoch behielten wir uns vor, gegebenenfalls einzelne Fragen daraus zu zitieren. Nun stieg die Zahl der kooperativen Gemeinden an: Rothenthurm, Vorderthal und Wollerau schickten uns ihre Fragenkataloge, die Gemeinde Schwyz immerhin einen Auszug davon.

«Beim Fragenkatalog handelt es sich nicht um ein amtliches Dokument, sondern um ein internes Arbeitspapier.»
Gemeinde Freienbach

Einige störrische Gemeinden argumentierten mit dem gesetzlichen Ausnahmepassus, wonach eine Herausgabe die «zielkonforme Durchführung konkreter behördlicher Massnahmen» beeinträchtigen könnte. Andere fanden schlicht, es handle sich beim Fragenkatalog nicht um ein amtliches Dokument. So etwa die Gemeinde Freienbach: Sie beschied uns, er sei «ein internes Arbeitspapier der Einbürgerungsbehörde», das lediglich für deren Gebrauch bestimmt sei. Erst beim Anhörungsprotokoll, das sich aus den aus dem Katalog ausgewählten Fragen und den dazugehörigen Antworten des Bürgerrechtsbewerbers zusammensetze, handle es sich um ein amtliches Dokument.
Einsiedeln argumentierte unter anderem damit, der Fragenkatalog sei Teil einer nicht öffentlichen Verhandlung und infolgedessen nicht herauszugeben. Landschreiber Patrick Schönbächler wies darauf hin, dass abgewiesene Gesuchsteller gegen allfällige Willkür Beschwerde führen können. Insofern bestünden eine Rechtskontrolle und ein Rechtsschutz.
Arth, dessen Einbürgerungsverfahren 2020 vom Bundesgericht kritisiert wurde, reagierte ablehnend und argumentierte wie Einsiedeln. Eine bedenkliche Auffassung freier Medienarbeit offenbarend, verlangte der stellvertretende Gemeindeschreiber Marc André Kälin gar, dass wir unseren Beitrag von seiner Gemeinde abnicken lassen, sofern Arth darin namentlich erwähnt wird.

Kurswechsel in Arth
Die Zeit war gekommen, unserem Begehren Nachdruck zu verleihen. Wir entschieden uns, beim ÖDSB Schlichtungsverfahren mit den Gemeinden Freienbach und Arth zu beantragen. Es ging uns darum, deren Einwände unabhängig beurteilen zu lassen, Präzedenzfälle zu erwirken und die restlichen Gemeinden zum Einlenken zu bewegen. Damit wollten wir auch den Aufwand des ÖDSB in Grenzen halten, obschon es gute Gründe gegeben hätte, mit sämtlichen anderen Verweigerern ebenfalls eine Schlichtung zu versuchen.
Im Fall von Arth reichte bereits der Wink mit dem Schlichtungsgespräch, um einen Gesinnungswandel zu erwirken. Die Einbürgerungsbehörde beschloss im Juli 2021 einen Kurswechsel und gab uns Gelegenheit, während exakt 30 Minuten den Arther Fragenkatalog einzusehen. Ihn zu kopieren oder abzufotografieren wurde uns untersagt. Scharf beobachtet vom stellvertretenden Gemeindeschreiber und dem Präsidenten der Einbürgerungsbehörde schrieben wir einige Tage später im Arther Rathaus von Hand und unter grossem Zeitdruck seitenweise Fragen auf unsere Notizblöcke.

Episches Warten auf den ÖDSB
Mit Freienbach war ein Schlichtungsgespräch indes unausweichlich. Im Juni 2021 beschied uns der kantonale Öffentlichkeitsbeauftragte Philipp Studer, eine zeitnahe Durchführung werde «aufgrund der hohen Pendenzenlast und vieler bereits bestehender Termine wohl unmöglich bis sehr schwierig». Es dauerte schliesslich bis am 13. September 2021, ehe wir uns mit der stellvertretenden Gemeindeschreiberin Freienbachs beim ÖDSB trafen. Die Schlichtung verlief erfolglos, weil Freienbach auf dem Standpunkt beharrte, beim Fragenkatalog handle es sich nicht um ein amtliches Dokument, weshalb uns folglich auch keine Einsicht gewährt werden müsse. Nun war der ÖDSB an der Reihe, seine Empfehlung an die beiden Streitparteien zu verfassen.
Seit Recherchebeginn war inzwischen fast ein Jahr verstrichen, doch das grosse Warten begann jetzt erst richtig. Dutzende Male, zuweilen sogar wöchentlich, wurden wir vom ÖDSB vertröstet. Eine Frist verletzte der ÖDSB damit nicht, weil es keine gibt. Erst eine Intervention des Kantonalen Rechts- und Beschwerdedienstes führte schliesslich dazu, dass wir Ende Mai 2023 nach 89-wöchigem Warten die Empfehlung erhielten.
Es sei auch für ihn unbefriedigend, dass das Schlichtungsverfahren so lange gedauert habe, entschuldigte sich der ÖDSB und führte verschiedene Gründe auf: Gleichzeitig seien diverse Anfragen und Geschäfte angefallen, die eine Besprechung mit anderen Öffentlichkeitsbeauftragten verlangt hätten, seine Stelle habe zu wenig Ressourcen und zum Schluss habe er noch den krankheitsbedingten Ausfall einer Mitarbeiterin hinnehmen müssen. Der ÖDSB will sich als Konsequenz aus unserem Fall eine interne Frist auferlegen. Ziel sei, so Studer, dass es künftig nicht länger als drei Monate dauere, bis nach einer erfolglosen Schlichtungsverhandlung eine Empfehlung erstellt sei.

Freienbach verweigert weiter
Studers Empfehlung fiel ganz zu unseren Gunsten aus: Unmissverständlich hielt er fest, dass es sich beim Fragenkatalog der Einbürgerungsbehörde um ein amtliches Dokument handelt. Freienbach legte er deshalb nahe, uns Einsicht zu gewähren. Gleichzeitig hielt der ÖDSB fest, wir dürften den Fragenkatalog oder Teile davon nur publizieren, wenn sich die Gemeinde Freienbach zuvor dazu äussern könne und ihre Argumentation in den Beitrag einfliesse.

«Der Fragenkatalog der Einbürgerungsbehörde stellt ein amtliches Dokument dar.»
«Der Zugang zum amtlichen Dokument ist grundsätzlich zu ermöglichen.»
Philipp Studer, Öffentlichkeitsbeauftragter des Kantons Schwyz

Nichtsdestotrotz wurde am Zürichsee weitergemauert. In einem vierseitigen Schreiben begründete die Einbürgerungsbehörde Freienbachs, weshalb sie ihren Fragenkatalog entgegen der Empfehlung des ÖDSB nach wie vor unter Verschluss hält. Mitunter argumentierte sie, es handle sich dabei nicht um ein amtliches Dokument, sondern «um eine nicht fertig gestellte und auch nicht abschliessende Aufzeichnung, mithin um einen Entwurf». Und selbst wenn es sich dabei um ein amtliches Dokument handeln würde, hätten wir keinen Anspruch auf den Fragenkatalog, weil er eine nicht öffentliche Verhandlung betreffe. Überdies würde eine Herausgabe des Fragenkatalogs die Beurteilung und Überprüfung der Integration eines Bürgerrechtsbewerbers beeinträchtigen. Sowieso aber sei das Öffentlichkeitsgesetz hinsichtlich unseres Anliegens gar nicht anwendbar.

Manche Amtstüren bleiben zu
Neben Freienbach wandten wir uns in den letzten zwei Monaten auch den anderen Gemeinden zu, die uns vor zweieinhalb Jahren keine Einsicht in ihre Fragenkataloge gewährt hatten. Dabei verwiesen wir auf die glasklare Empfehlung des ÖDSB. Tatsächlich lenkten 13 Gemeinden ein, wovon die meisten umstandslos. Auch Oliver Bowald, Gemeindeschreiber von Unteriberg, kam unserem Ersuchen nach, aber nur «äusserst widerwillig und unter Protest».
Andernorts blitzten wir erneut ab. Er teile die Meinung des ÖDSB nicht, fand zum Beispiel Patrick Schönbächler, Landschreiber des Bezirks Einsiedeln. Christian Gwerder, Leiter des Einwohneramts von Wangen, schilderte uns den Inhalt des Wangener Fragenkatalogs zwar, gewährte uns aber ebenfalls keine Einsicht. Er wies uns darauf hin, dass wir von Wangen eine anfechtbare Verfügung oder beim ÖDSB die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens verlangen können – also genau das, was wir zwei Jahre zuvor mit Freienbach angestrengt hatten, um exakt dieselbe Frage zu klären. Wir verzichteten selbstredend darauf, uns nochmals jahrelang im Kreis zu drehen.
Wir sahen auch davon ab, beim Schwyzer Verwaltungsgericht Beschwerde gegen den Ablehnungsentscheid der Freienbacher Einbürgerungsbehörde zu erheben, um die Angelegenheit gerichtlich klären zu lassen. Das ist zwar überaus unbefriedigend, doch fehlen uns schlicht die finanziellen und personellen Ressourcen dazu – und das dürfte der Gegenseite freilich bewusst sein.

Einen Kommentar zum Öffentlichkeitsprinzip und zu seiner Handhabung in den Schwyzer Gemeinden
finden Sie in unserer aktuellen Freitagsausgabe respektive hier.

Dieser Beitrag wurde durch den Recherche-Fonds von investigativ.ch/Daniel Brunner finanziell unterstützt.